Die Spielphase bei Jungtieren ist eine wichtige Sozialisationsphase. Aus ihrer Dauer leitet sich das richtige Vermittlungsalter von Ratten ab.
Die Jungtiere der meisten Spezies durchlaufen bestimmte zeitliche Perioden, während derer bestimmte soziale Stimulationen notwendig für die nachfolgende Entwicklung sind. Vor allem in der Zeit nach der Entwöhnung, in der die Jungtiere mehr und mehr Zeit abseits der Mutter und mehr mit ihren Geschwistern verbringen, sind Ratten ungewöhnlich empfänglich für äußerliche Einflüsse und Störungen (Hol et al 1999, S.91 und Vanderschuren et al 1995, S. 122).
Es hat sich gezeigt, dass das Alter zwischen 21 und 55 Tagen wichtig für die normale Entwicklung des späteren Sozialverhaltens bei erwachsenen Ratten ist (Meaney, Stewart 1981, S. 34). Spielen bzw. Spielkämpfe sind nicht allein ausschlaggebend für eine gesunde Sozialisierung, sondern vielmehr ein wichtiger Bestandteil eines Verhaltenskomplexes, wozu alle Verhaltensweisen mit den Geschwistern gehören (gegenseitiges Putzen, gemeinsame Nahrungsaufnahme und Erkundungsverhalten sowie das Liegen in Kuschelgruppen) (vgl. hierzu auch Bekoff 1976)). Das auffällig starke Ansteigen des Spielverhaltens bei jungen Ratten und das nachfolgende Absinken (siehe Artikel „Spielverhalten von Ratten“) zeigt jedoch deutlich, dass es sich in dieser Zeit um eine sensible Phase in der Entwicklung der Tiere handelt, die möglichst ungestört verlaufen sollte. Eine Trennung der Geschlechter mit 4,5 Wochen liegt mitten in dieser sensiblen Phase, ist jedoch dringend notwendig. Danach sollten die Tiere jedoch bis zur 9. Lebenswoche ungestört im gleichgeschlechtlichen Geschwisterverband verbleiben, und erst danach vermittelt werden.
Es ist wichtig, dass Jungtiere möglichst viele gleichaltrige Geschwister um sich haben, weil sich ein im Rudel lebendes Individuum nur in Abhängigkeit möglichst vieler Charaktere und deren Handlungen artgemäß entwickeln kann. Das Aufwachsen mit nur einem Partner führt zu Fehlprägungen und einseitiger Entwicklung des Einzelnen (Entsozialisierung).
Natürlich kann man die Anzahl gleichgeschlechtlicher Tiere eines Wurfes nicht beeinflussen. Sollte die Anzahl aber eine Größe erreichen bei der die Tiere für eine Vermittlung aufgeteilt werden (können oder müssen), sollten sie bis zur 9. Lebenswoche gemeinsam aufwachsen, bevor sie getrennt werden und in eine neue Umgebung kommen. Das ist bei einer gleichgeschlechtlichen Geschwistergruppe von mehr als 3 Tieren der Fall.
Quellen: Bekoff, Marc; Pierce, Jessica (2011): Vom Mitgefühl der Tiere. Verliebte Eisären, gerechte Wölfe und trauernde Elefanten. 1. Aufl. Stuttgart: Kosmos.
Hol, T.; van den Berg, C. L.; van Ree, J. M.; Spruijt, B. M. (1999): Isolation during the play period in infancy decreases adult social interactions in rats. In: Behavioural Brain Research 100 (1-2), S. 91-7.
Meaney, Michael J.; Stewart, Jane (1981): A descriptive study of social development in the rat (Rattus norvegicus). In: Animal Behaviour 29 (1), S. 34-45.
Vanderschuren, Louk J. M.; Niesink, Raymond J. M.; Spruijt, Berry M.; Van Ree, Jan M. (1995): Influence of environmental factors on social play behavior of juvenile rats. In: Physiology & Behavior 58 (1), S. 119-123.